Altvordere - Ahnenforschung

Geschichten meiner Vorfahren

Emilie Wilhelmine Rudolfine - Meine Urgroßmutter

geboren am 8. April 1874 in Ducherow, gestorben am 18 Nov 1944 in Meißen

Emilie war ein ernstes Kind. Klein süß und zart. Sie sah hübsch aus wenn Sie in Ihrem Wagen lag. Die Rüschen unterstrichen das Kindergesicht und die Eltern war sehr stolz. Vor allem Caroline war sehr berührt eine Tochter zu haben. So ein kleines Wesen dem man so viel Liebe schenken kann. Jetzt war das großes Brüderchen nicht mehr so alleine. Die Jahre vergingen und Emilie war nicht mehr das kleine Baby weitere Geschwister erblickten das Licht der Welt. So wurde Emilie schnell zur großen Schwester und sie half Ihrer Mutter bei allen Arbeiten die im Haushalt anfielen. Dazu kam, das die Mutter Caroline für die Arbeiter des Forsthauses Brandtshof das Mittagessen bereitete. Emilie nahm das Gemüse in die Hand und versuchte wie die Mutter es zu putzen. Sie freute sich wenn die Mutter Ihr den Kochlöffel gab und sie in dem großen Topf die Suppe rühren durfte. Zwischendurch wurde immer wieder genascht, was die Mutter immer „wir probieren nur ob es schmeckt“ kommentierte. Das waren glückliche Stunden am Herd und in der Küche. Denn auch das putzen machte Emilie Spaß. Auch wenn das ganze Kleidchen dann nass war. Für Ihre Mutter war es angenehm wenn Emilie sie unterstütze. So konnte Sie manchmal die Arbeit etwas ruhiger verrichten, gerade wenn ein neues Kind erwartet wurde. Da freute sich Emilie schon immer sehr Ihrer Mama helfen zu können und konnte es kaum erwarten, bis das Schwesterlein oder der Bruder auf die Welt kamen. Gerne kümmerte Sie sich auch um die kleineren Geschwister. Den die waren ja auch niedlich und es machte Spaß mit Ihnen zu spielen. Selbst im späteren Schulalltag war Sie die große Schwester. Sie musste zeitig viel Verantwortung tragen. Das prägte Ihre Ernsthaftigkeit weiter und so war es als junge Frau auch nicht einfach junge Männer kennen zu lernen. Die jungen Kerle waren nur hinter den fröhlichen Mädchen her, mit denen sie Spaß hatten und etwas unternehmen konnten.

Ducherow war keine Weltstadt. Ein kleines Dorf das wohl 1229 entstand, damals noch als slawische Ortschaft mit dem slawischen Namen für „vor dem Hügel“ - „Dogodowe“ . Aber dieses kleine Pommersche Dorf aus ein paar Fachwerkhäusern und einer Feldsteinkirche. Beides unterlag den Wandel der Zeiten. Kriegszeiten brachten immer wieder Zerstörung und danach einen Neuaufbau. Doch der Ort sollte sich zu einen bedeutenden Ort auf dem Lande im Vorpommern entwickeln. Als im Jahr 1863 die Eisenbahnlinie von Angermünde nach Anklam eröffnet wurde, war Ducherow erstmals an das wachsender Schienennetz Preußens angeschlossen. In den nächsten Jahren und einem weiteren Ausbau der Nordstrecke, verband Strecke Ducherow direkt mit Berlin und den aufstrebenden Seebädern. Später wurde der Haltepunkt durch eine Neubau eines Bahnhofsgebäudes, ergänzt mit Empfangssaal und Gastwirtschaft, und die Vergrößerung des Bahnhofsgelände in einen stattlichen Bahnhof umgewandelt. Schon wenige Jahre später folgte von 1873 bis 1876 der Umbau zu einer wichtigen Kreuzungsstation. Die Bahnlinie nach Swinemünde auf der Insel Usedom wurde gebaut. 1876 wurde die Strecke eröffnet und der Zugverkehr ging los und eine neue Zeit hatte begonnen, in der das Dorf zum Eisenbahnknotenpunkt aufstieg.

Kurz vor Eröffnung der Zugstrecke richtete 1861 der Pastor Wilhelm Quistorp ein Küster- und Schulhaus ein. Er war sehr an der Schulbildung der Kinder interessiert, stellte aber fest das es an ausgebildeten Lehren mangelte, was Ihn dazu brachte eine Schule für Lehrerkandidaten und zugleich ein Waisenhaus zu eröffnen. 1866 begann Quistorp dann mit der Gründung des Missions‑ und Waisenhauses und löste eine sozial-diakonische Bewegung aus. Diese Mission wurde später zu dem „Bugenhagenstift“. Diese Einrichtung wurde im Jahr 1869 durch die Eröffnung eines Krankenhaus „Bethanien“ von Johannes Quistorp ergänzt. Schon bald entwickelte sich eine diakonische Institution, die Waisenkinder versorgte, Lehrer ausbildete und Arbeitsplätze für Dorf und Umgebung schuf. So kamen immer mehr Leute in den kleinen Ort. Und doch war das Dorfleben nicht so aufregend wie in einer Stadt. Selbst das Nahegelegenen Anklam oder Pasewalk hatte mehr zu bieten.

Auch eine gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Ziegelei brachte Veränderung. Ducherow erfuhr eine Industrialisierung. Eine komplette Ziegelindustrie enstand. Tonvorkommen bei Heidberg ermöglichten diese Entwicklung und der Aufbau einer Ziegelei mit Ringofen. Um 1900 wurde eine Schmalspurbahn angelegt um die fertigen Ziegel zum Bahnhof Ducherow zu transportieren. Das Dorf wurde so Teil der industriellen Produktions- und Exportketten – ein Kontrast zu seiner ansonsten ländlichen Prägung. Der Bahnhof hatte sich längst zur zentralen Verkehrsachse entwickelt: ab 1906 erfolgte ein zweigleisiger Ausbau, mehrere Bahnsteige, mehrere Rangiergleise, ein Lokschuppen und ein Wasserturm.Die Reichs‑Eisenbahndirektion Berlin (ab 1895 Stettin) machte Ducherow zum regionalen Umsteigeknoten.

Als Emilie älter war ging sie in Stellung zu dem in der Nähe gelegen Schloss Schwerinsburg. Einem sehr großen Schloß mit vielen Stallungen, Außenanlagen und einer Gärtnerei. Es war schön auf dem Gut zu arbeiteten. Aber für Emilie war es zu wenig, Sie wollte mehr, wollte helfen und Ihrem Leben einen Sinn geben. Also entschloss Sie sich eines Tages in die Missions- und Waisenstiftung in Ducherow zu wechseln. Sie war jetzt eine junge Frau und wollte den Kleinsten helfen. So wie Sie das schon in der Familie getan hat. Vielleicht war es auch die Sehnsucht nach der eigenen Familie. Sie war jetzt 23 Jahre und widmete sich fortan den Waisen. Sie nahm die Anstellung einer Köchin an. Lernte im Waisenhaus für viele Kinder zu kochen und dies im Rahmen der Möglichkeiten. Sie zog in ein Zimmer in den Stift und begann Ihr eigenes Leben. Sie strahlte jeden Morgen wenn die Kinder in der Schlange standen und mit großen Augen schauten was da auf dem Teller war. Oft war es Haferschleim, aber Emilie versuchte immer das frisches Stück Obst auf den Teller landete. Oder ein Klecks Marmelade. Freudig nahmen die Kinder den Teller entgegen und machten einem Knicks. Sie schloss die Kinder ins Herz und hatte immer Tränen in den Augen und lies die Schultern hängen wenn ein Kind ging.

Als die Eltern 1895 mit den restlichen Geschwistern die noch zu Hause wohnten nach Pasewalk zogen, blieb Emilie in Ducherow. Sie ging immer andächtig durch das Dorf zur Kirche und atmete tief ein. Sie liebte Ducherow. Sie war hier zu Hause. Es war Heimat. Der Stift bereicherte das Dorf. Und es zauberte immer ein Lächeln in Ihr Gesicht wenn Sie in der Kirche saß und über das Dorf nachdachte.

Anfang Januar des Jahres 1900 wurde Sie ins Sekretariat gerufen. Ein Telefonanruf aus Pasewalk. Mit erschrockenen Blick nahm Sie den Hörer in die Hand. Von weit weg hörte Sie Ihren Vater sagen, dass Ihr jüngster Bruder gestorben sei. Sie brachte kein Wort heraus. Wie versteinert wirkte Sie, kein Laut kam über Ihre Lippen. Die Sekretärin übernahm das Telefonat, ließ sich alles erzählen und legte den Hörer auf. Emilie kreidebleich ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen, die Sekretärin holte Ihr ein Glas Wasser. Man gab Ihr sofort frei. Sie packte ein paar Sachen und fuhr sofort zu den Eltern nach Pasewalk. In PAsewalk angekommen eilte sie mit schnellem Schritt zu der Wohnung der Eltern. Der Vater öffnete die Tür und Emilie ging mit großen Schritten zur Mutter. Sie legte Ihre Arme um Sie und streichelte leicht Ihr Haupt. Beide versanken in Tränen und der Vater ließ Sie allein.

Emilie musste zurück. In den nächsten Wochen fuhr Emilie immer wieder nach Pasewalk zu den Eltern. Sie half im Haushalt und kümmerte sich um die Geschwister. Der Vater verließ die Wohnung nur noch für seine Arbeit und um die wichtigsten Besorgungen zu erledigen. Die Mutter war eine alte Frau die gerne auf Ihrem Schemel saß. Der Mund bewegte sich nicht in dem fahlen Gesicht. Die Augen schauten trübe in immer die selbe Richtung. Zwei Jahre später, am 25. April machte Ihre Mutter Caroline den letzten Atemzug. des Jahres 1902 Für den Vater brach eine Welt zusammen. Er wollte sich nach Berlin versetzen lassen, neu anfangen und fragte Emilie ob Sie mit Ihm nach Berlin gehen wolle. Emilie stimmte zu. Also gab Emilie Ihre Stellung im Stift auf und zog mit dem Vater nach Berlin. In der Schlossallee besaß die Eisenbahngesellschaft ein Haus mit Wohnungen für Eisenbahner. Dort bekamen Sie eine Wohnung. Langsam kamen Sie beide gut zu recht. Der Vater erholte sich und Emilie hatte wieder Zeit für sich. Sie hatte eine Arbeit als Köchin im nahe gelegenen Schloß. Jeden Morgen schritt Sie eilig im Morgendunst durch den Schlossgarten, vorbei an den bunten Blumen und dem grünen Gehölzen. Sie dachte immer wieder wie viel Grüntöne es doch gab. Manchmal blieb sie stehen und reckte die Nase in Richtung der Blüten. Welch süßlicher betörender Geruch. Wie zuckte Emilie zusammen als eine Stimme aus der Blüte kam. Sie blickte in alle Richtungen um die Quelle der Laute zu finden, die an Ihr Ohr gelangten. DA sah Sie einen gut aussehender Mann in Sachen die gerade über die Wiese gerobbt waren. Stattlich gebaut mit kräftigen Händen die eine Schaufel hielt. Etwas ruhiges strahlte er aus, fast geheimnisumwittert. Langsam kamen die Worte in Emilie an. Er hatte Sie gefragt ob Sie den Rhododendron mochte.

Als Emilie ab da durch den Schlosspark lief, schaute Sie immer ganz aufmerksamen im Park umher, ob Sie den Mann mit den muskulösen Armen nicht irgendwo unter einem Baum oder zwischen den Büschen sah. Manchmal entdeckte Sie den Blondschopf zwischen Blüten oder Blättern. Da ging Sie mit lockeren Schritten in diese Richtung, roch beim laufen an den üppigen Blüten und näherte sich so der Stelle an dem Sie den jungen Mann vermutete. Sie machte große Augen und gab ein „Huch“ von sich, wenn Sie dann vor Ihm Stand, als hätte Sie Ihn erst jetzt bemerkt. Ihr wurde dann immer ganz warm und es schwirrte in ihrem Bauch. Sie versuchte es mit ein bisschen Smalltalk. Der junge Mann fastet sich an den Kragen und zupfte sein Hemd zu recht. Er fragte sich ob das nach ein Dutzend Begegnungen immer noch Zufall war. Er fragte Sie nach Ihrem Namen. Ihr schoß die Röte ins Gesicht. Der Bann war gebrochen und die Beiden kamen ins Gespräch. Emilie war bei jedem zusammentreffen immer aufs Neue fasziniert. Wie fleißig er war und so gewissenhaft bei seiner Arbeit.. Die Monate vergingen bis er, Max Emil Schroeder - mein Urgroßvater, sich ein Herz nahm und meine Urgroßmutter ob Sie mit Ihm zum Luna-Park gehen würde. Einer neuen Attraktion in Berlin. Sie sagte zu und so verbrachten Sie den kommenden Sonntag im Luna-Park mit seinen vielen Besonderheiten. Ein Haus was auf den Kopf gestellt werden konnte, der Wackeltreppe bei der man viel Geschick benötigte, einer Gebirgsbahn, einer Pferderennbahn und vieles mehr. Es war ein schöner Tag und Emilie war überglücklich. Von da an trafen Sie sich nicht mehr „zufällig“ sonder verabredeten sich öfters. Sie liefen gemeinsam durch die Stadt, den Schlossgarten, wo Ihr Max vieles erklärte. Gingen in ein Café oder ein Eis essen. Emilie verliebte sich in Max und Max verliebte sich in Emilie. Sie gestanden sich Ihre Liebe und Max hielt um Ihre Hand an. Sie bestellten das Aufgebot. Emilie konnte Ihr Glück nicht fassen. Auch der Vater war sehr glücklich und er konnte besser mit seiner Trauer umgehen. Die Mutter hätte sich sehr gefreut für Ihre Emilie. Mit dem Segen der Väter konnte dann am 25. September 1904 in Berlin Schönhausen geheiratet werden. Ein kleine Hochzeit. Nur ihr Vater und und Ihre Geschwister.

Ehepaar Schröder

Im Mai des Jahres 1905 war ein Gutsbesitzer beim Besuch in Berlin auch im Schlosspark Schönhausen und war begeistert von der sehr gut gepflegten Anlage. Er erkundigte sich nach dem Verantwortlichen für diesen Garten. Und er traf Obergärtner Max Emil Schröder. Er ließ sich viel erklären und war von dem Fachwissen meines Urgroßvaters angetan. Und er fragte Ihn ob er nicht Lust hätte für Ihn zu arbeiten. Max gefiel das Angebot. Und so zogen Sie ein Jahr nach der Hochzeit zu seiner neue Stelle nach Waldbauer im Kreis Hagen. Dem Vater Johann ging es besser und er kam allein in Berlin zu recht. Nach der Garten-Saison musste der Gutsbesitzer Max entlassen. Er hatte sich zu viel vorgenommen. Max suchte nach einer neuen Stelle, aber solange er diese nicht hatte, waren Sie gezwungen in Waldbauer zu bleiben, dazu kam das Emilie schwanger war. Die beiden erwarteten Ihre erste Tochter. Am 25. Januar 1906 wurde Gertrud Anna Elisabeth geboren. Diesmal war das Glück bei Emilie. Sie fanden eine Annonce im Greifenberger Kreisblatt in der man eine tüchtige Köchin für das Herrenhaus auf dem Gut Zirkwitz suchte. Das Herrenhaus wurde im Sommer fertiggestellt. Das gute Max konnte auch auf dem Gut als Gärtner unterkommen. Zudem wurde Ihnen dort Wohnraum gestellt. Die Familie zog um. Die Beiden waren sehr gut angesehen im Gut. Emilie wurde das zweite mal schwanger und brachte am 3. Juni 1907 meine Oma Grete Marie Emilie auf die Welt. Für das Schloss in Treptow an der Rega suchte man einen neuen Obergärtner. Das Schloss war in Besitz der Pommerschen Landeskredit Gesellschaft und beherbergte im Inneren Beamtenwohnungen und Büros. Es war ein großes Gelände was viel Pflege benötigte. Also bewarb sich Max und bekam die Stelle. Ein Glücksfall, denn Sie bekamen auch eine Wohnung für den „Obergärtner“. Sie zogen im Winter 1909 in Ihr neues Heim. Emilie wurde das dritte mal schwanger. Ihr Sohn wurde am 22. Februar 1910 mit Namen Willy Konrad Emil in Treptow an der Rega geboren. Als der Krieg im Jahr 1914 ausbrach, war Max schon zu alt für die Armee. Die Familie war froh, dass der Vater nicht in den Krieg ziehen musste. Aber auch hier hatte man mit den den Folgen des Krieges zu kämpfen. Emilie wollte wieder arbeiten gehen, Sie nahm eine Stelle in der neugegründeten Landwirtschaftliche Mädchenschule auf die Ihr Domizil im Schloss bekam. Dort konnte Sie wieder in der Küche arbeiten und hatte auch Kontakt zu den Mädchen. Es war eine gute Zeit in Treptow. Sie konnten Ihre Kinder aufziehen und hatten Beide Arbeit. Aber die Bedingungen änderten sich und die Familie musste auch aus der Wohnung. Das gesamte Schloss sollte für die Mädchenschule zur Verfügung stehen. Max war das nicht recht und er schaute sich nach neuer Arbeit um. Er erfuhr das es Richtung Osten mehr Arbeit gab und so zogen Sie los. Gut Enzuhnen hieß die nächste und letzte Station in seinem Arbeitsleben.

Dort hat seine Tochter Grete Ihren Gustav kennengelernt. Aber das ist eine eigene Geschichte.

Später als Max nicht mehr arbeiten musste, blieben Sie in der Nähe Ihrer zweitgeboren Tochter Grete. So war man in Eydtkau ansässig geworden. Max starb am 26. Februar 1941in Eydtkau. Es war Krieg und die Zeiten unruhig. Emilie war sehr traurig und fand etwas Trost bei der wachsenden Familie Ihrer Tochter. Es erfüllte Sie mit Stolz wenn Sie bei den Kindern sein konnte. Drei Jahre später war der Krieg in Ostpreußen angekommen und die Familie begab sich auf die Flucht. Alles musste zurückgelassen werden, auch das Grab Ihres von Ihr innig geliebten Mannes. Sie zogen erst einmal Richtung Neumark. Kamen bei einem Bauer unter. Aber die Flucht ging weiter. Man zog in Richtung Sachsen. In dem kleinen Ort Barnitz fanden sie ein Zuhause. Emilie verstarb im letzten Kriegswinter in der fremden Heimat. Am 18. November 1944 war ein langes aufopferungsvolles Leben sein Ende.